Im Dialog mit Landwirten:
Unser Vorstandssprecher auf Dreiländertour.

Seeding the future for generations.

Klimaschutz, Ressourceneffizienz, Ernährungssicherung: Die Landwirtschaft steht vor einer allumfassenden Transformation. Welche Ziele haben die Generationen von Landwirten, wie gestalten sie den Dialog mit der Gesellschaft und welche Ansprüche stellen sie an ein Unternehmen wie KWS? Vorstandssprecher Felix Büchting erhält bei Begegnungen mit Landwirten aus verschiedenen Regionen einen persönlichen Einblick – in den Wandel der Agrarwirtschaft aus der Sicht von Menschen, die ihn tagtäglich erleben: Rika Schwetje, Mathieu Leveillard und Özer Çolpan erzählen, was sie bewegt und antreibt. Eine Hoftour durch drei Länder.

Rika Schwetje | 22 Jahre

  • Pflanzentechnologin aus Gronau (Leine), Deutschland
  • Gelernte Pflanzentechnologin und Absolventin des Bachelors Agrar in Bernburg. Der Master soll dort folgen. Vorher möchte sie aber landwirtschaftliche Erfahrungen im Ausland machen – es geht einmal quer über den Globus für ein Auslandsjahr in Australien.
  • Rikas Eltern bewirtschaften einen Betrieb mit Ackerbau: 160 Hektar groß, 40 Hektar davon Eigenland. Neben dem klassischen Marktfruchtanbau (Zuckerrübe, Winterweizen, Wintergerste, Mais, Raps, Dinkel) probiert sich der Betrieb im Gemüse aus (Rotkohl, Weißkohl, Kohlrabi).

Interview mit Rika Schwetje

Büchting Frau Schwetje, Sie schreiben an Ihrer Bachelor-Arbeit und möchten nach einem Auslandsjahr in Australien mit Ihrem Master starten – mit der Spezialisierung auf Agrar-Marketing. Wie sehr liegt Ihnen die Öffentlichkeitsarbeit am Herzen?

Schwetje Ich finde, dass die Kluft zwischen der Bevölkerung in der Stadt und der auf dem Land viel zu groß geworden ist. Menschen in den Städten haben kaum mehr Bezug zur Landwirtschaft. Es ist wichtig, dass diese Kluft wieder kleiner wird und wir viel mehr miteinander kommunizieren und wir Landwirte dabei auch mit Emotionen arbeiten. Auf andere Menschen zu übertragen, was man als Landwirt empfindet, hilft!

Büchting Ihre Leidenschaft für eine offene und transparente Kommunikation geht so weit, dass Sie sich als AgrarScout beim Forum Moderne Landwirtschaft engagieren und sich dabei in den direkten Diskurs mit dem Verbraucher begeben. Klingt offensiv, aber auch herausfordernd. Was steckt dahinter?

Büchting Haben Sie schwierige Situationen erlebt? Ich stelle mir das nicht immer einfach vor, kritische oder über Emotionen getragene Gespräche zu führen …

Schwetje Ja, man muss lernen ruhig zu bleiben. Absolut. Wenn ich mit Verbrauchern ins Gespräch komme, habe ich festgestellt, dass es zwei verschiedene Gruppen gibt. Die einen, die sagen, ich habe mein Bild von der Landwirtschaft und möchte mich auch nicht beirren lassen. Und die, die sich interessieren und mehr erfahren wollen. Bei der ersten Gruppe ist es umso wichtiger, sie im Gespräch zu halten und zu schauen, wo sich ein kleines Fenster öffnet.

Büchting Offensichtlich hat Sie Ihre Erfahrung als AgrarScout nicht desillusioniert, sondern eher weiter bestärkt.

Schwetje Ja, das stimmt. Ich habe auch Gespräche mit Menschen geführt, die sich sehr aufgeregt über die Landwirtin im eigenen Dorf geäußert haben, sie als Naturhasserin beschimpft haben, weil sie zu viele Pflanzenschutzmittel spritzen würde. In solchen Situationen ist es besonders wichtig, ruhig zu bleiben, zuzuhören und versuchen auf das Gegenüber einzugehen. Auch wenn ich nicht der gleichen Meinung bin. Auf diese Weise öffnet sich vielleicht das Fenster, dass beide Seiten sich zuhören.

Wir müssen mehr mit Emotionen kommunizieren und die Leidenschaft für Landwirtschaft auf Menschen übertragen!

Rika Schwetje
Landwirtin aus Gronau (Leine)

Büchting Sie sind die sechste Generation auf dem Hof. Haben Sie mit Ihrem Vater Diskussionen zwischen den Generationen, wenn es um das Thema Nachhaltigkeit im Sinne des Umweltschutzes geht?

Schwetje Mein Vater ist da immer etwas vorsichtig, er schaut sich neue Entwicklungen an und fragt meinen Bruder oder mich, ob wir uns damit auskennen, oder ich es im Studium hatte. Wir ermutigen ihn, Neues auszuprobieren. Zum Beispiel haben wir eine computergesteuerte Pflanzenschutzspritze gekauft – und er weiß, dass überall dort, wo er heute aufrüstet und auf modernere Technologien setzt, es der nächsten Generation Zugutekommen wird.

Büchting Sie sprechen es an, die nächste Generation an wen wird die Passion zur Landwirtschaft in Ihrer Familie weitergegeben? Und wie empfinden Sie den Schritt, von der Schule ins Agrarleben zu gehen?

Schwetje Mit meinem Bruder und meiner Schwester sind wir die nächste Generation. Mein Bruder wird sehr wahrscheinlich den Hof übernehmen, er fängt nach der Schule seine Ausbildung auf dem Betrieb an und ist schon sehr aufgeregt. Und auch meine kleine Schwester, die noch in der Schule ist, wird demnächst ihren Trecker-Führerschein machen – sie wird, denke ich, auch etwas in die Richtung machen. Wenn ich mich an meine Ausbildung erinnere, muss ich sagen, habe ich mich darauf richtig gefreut, ich durfte schon früh mitreden und habe mich in der Zeit sehr schnell weiterentwickelt.

Büchting Wie spüren Sie in ihrem elterlichen Betrieb die gesellschaftliche Erwartung an Landwirtschaft, nachhaltiger zu werden, den Wunsch nach mehr Regionalität, aber auch die Umstellung von Ernährungsgewohnheiten? Ihr Betrieb hat zum Beispiel keine kommerzielle Tierhaltung mehr, wie sehen Sie die Zukunft?

Schwetje Der Betrieb wird aus meiner Sicht mit der heutigen Aufstellung nicht für die Zukunft bestehen können. Für unsere Eltern reicht es heute noch aus, aber wenn mein Bruder im Haupterwerb davon allein leben will, muss der Betrieb wachsen oder neue Einnahmequellen erschließen. Wir probieren beim Anbau Nischenkulturen aus, um zu gucken, was bei uns funktioniert, was nicht. Insbesondere Gemüse. Zudem bin ich eine große Verfechterin von Direktvermarktung, und würde das gern bei uns weiter ausbauen. Ich könnte mich aus der Ferne ums Marketing kümmern, das ist mein Steckenpferd. Den Direktvertrieb weiterzuentwickeln wäre in jedem Fall ein Bereich für die Zukunft, gerade bei Gemüse.

Mathieu Leveillard | 64 Jahre

  • Verheiratet und dreifacher Vater, führt seit 1984 in Les Villages-Vovéens, Frankreich, den landwirtschaftlichen Betrieb der Großeltern.
  • Seitdem wurde der Betrieb schrittweise erweitert, die Familie bewirtschaftet heute 194 Hektar, vornehmlich wird Weizen, Gerste, Mais, Raps, Kartoffeln und Zuckerrübe angebaut, unter anderem auch KWS Sorten.
  • Seine Tochter Justine hat sich vor kurzem auf einem Betrieb in der Nachbargemeinde Fains la Folie niedergelassen. Sie baut dort Mais, Winterweizen, Raps und Erbsen an. Das Ziel ist, beide Betrieb zu vereinen.

Interview mit Mathieu Leveillard

Büchting Herr Leveillard, wir sind hier in der Region Beauce. Auf der Fahrt hier her sind mir die weitläufigen Getreide- und Zuckerrübenfelder aufgefallen. Das Wetter ist gut, alles scheint nach Plan zu wachsen. Sind Sie mit der diesjährigen Saison, wie sie aktuell läuft, zufrieden?

Leveillard Das Wetter ist im Moment eigentlich zu gut – wir hätten gerne ein bisschen mehr Wasser. Es ist etwas zu trocken, sodass wir zum Beispiel die Kartoffeln bewässern müssen. Auch unsere Zuckerrüben, unser Weizen und unsere Gerste kämpfen mit der Trockenheit. Noch bewässern wir nicht, werden es aber bald tun müssen.

Büchting Sind alle Ihre Felder bewässert?

Leveillard Die meisten von ihnen sind es – sämtliche Mais-, Kartoffel- und Zuckerrübenfelder und Weizen – sofern es die Wasserquoten erlauben. Die Bewässerungsbeschränkungen bedeuten, dass wir uns entscheiden müssen. In diesem Jahr konzentrieren wir uns auf Erbsen, Mais, Kartoffeln. Die Zuckerrüben kommen zum Schluss, da sie im Allgemeinen weniger unter Wassermangel leiden.

Büchting Beauce ist eine Bördenlandschaft in der Centre-Val de Loire, die heute insbesondere für Getreide bekannt ist. Was denken Sie, welche Kulturarten werden angesichts des Klimawandels in Zukunft eine Rolle spielen?

Leveillard Beauce wurde früher als Kornkammer Frankreichs bezeichnet, aber heute ist dieser Ruf angesichts der Klimaerwärmung nicht mehr aktuell … Wenn ausreichend Wasser zur Verfügung steht, halte ich Mais für sehr vielversprechend. Neben seinem interessanten Ertragspotenzial bietet er den doppelten Vorteil, dass er Kohlenstoff speichert und durch seine Verdunstung und Bodenbedeckung bis Mitte Herbst eine Rolle im Wasserkreislauf spielt. Ich denke, Mais ist weiterhin vielversprechend. Auch Zuckerrüben haben Potenzial, wenn es neue Lösungen gegen Schädlinge geben sollte. Und auch Erbsen werden wir weiterhin anbauen. Darüber hinaus beginnen einige Landwirte mit dem Anbau von Sonnenblume, die sehr stresstolerant ist. Die Verfügbarkeit von Wasser ist bei allem ein wichtiges Kriterium.

Büchting Trockenheit und Wasserknappheit sind aber nicht Ihre einzigen Herausforderungen für die Zukunft – Sie sprachen gerade die Gefahr von Schädlingen an …

Leveillard Richtig, die die Toleranz von Kulturarten gegenüber Schädlingen und Krankheiten wird immer wichtiger. Ein großes Problem sind zum Beispiel die Blattläuse! Wir stellen fest, dass unsere Zuckerrüben, sobald sie im März und April ausgesät werden, sofort von Blattläusen befallen werden. In der Vergangenheit konnten wir dagegen Neonicotinoide einsetzen, deren Einsatz kürzlich verboten wurde. Als ich 2009 mit dem Anbau von Zuckerrüben begann, kannte ich die Kultur noch nicht. Aber eine durchschnittliche Ernte von bis zu 115 Tonnen hat mich überzeugt. Das erste Jahr ohne Neonicotinoide war 2020. Das Ergebnis: 23 Tonnen!

Büchting Nur 23 Tonnen!

Leveillard Ja, die Blattläuse haben mich fast 100 Tonnen meiner Ernte gekostet. Was uns betrifft, so konnten wir von den zuständigen Behörden entschädigt werden, wodurch wir einen Teil der Verluste ausgleichen konnte. Aber das ist nicht bei allen Landwirten der Fall. Uns wird gesagt, dass wir unsere Pflanzen zu sehr behandeln. Aber wir müssen sie behandeln, weil wir keine Wahl haben. Ich bin mittlerweile bei meinem dritten Zuckerrübeninsektizid, wenn das Jahr gut läuft, produzieren wir 70 Tonnen, das ist dann aber das Maximum. Wenn wir bedenken, dass viele Menschen in der Region davon leben, ist diese Entwicklung ein großes ökologisches Problem dar. Eine Zuckerfabrik in Toury hat bereits geschlossen und es besteht die Gefahr, dass die Fabriken in Pithiviers oder Artenay ebenfalls irgendwann verschwinden.

Ich sehe es als ein Privileg an, einen Familienbetrieb wie diesen halten zu können, weil es immer weniger davon gibt.

Mathieu Leveillard
Landwirt aus Les Villages-Vovéens

Büchting Eine Lösung gegen Blattläuse in Zuckerrüben zu finden, wäre für Sie also ein wichtiges Thema …

Leveillard In jedem Fall. Schließlich bin ich nicht der Einzige, der so erhebliche Einbußen hat. Der Anbau von Zuckerrüben ist unter diesen Bedingungen nicht rentabel. Aber ich habe 2009 Anteile an einer Zuckerfabrik erworben und sehe keinen Grund, den Anbau zu beenden, da ich von den Vorteilen der Zuckerrüben überzeugt bin. Und ich sehe, dass es gute Fortschritte in der Züchtung gibt.

Büchting Ja, es wird noch Zeit brauchen, aber unsere Züchter arbeiten intensiv daran … An welches Beispiel denken Sie, wenn Sie von Fortschritten in der Pflanzenzüchtung sprechen?

Leveillard Gerade bei der Wintergerste kann ich eine Parallele ziehen. Ich denke an die KWS Sorte Joyau, eine Wintergerstensorte, die ich letztes Jahr erfolgreich angebaut habe. Die Sorte ist unbehandelt, kommt also ohne chemische Beizmittel wie Neonicotinoide aus. Sie hat dennoch dank ihrer verbesserten Genetik gute Erträge erzielt. Diese Beispiele stimmen mich in Bezug auf die Zuckerrübe und ihre Resistenz gegenüber Blattläusen hoffnungsvoll.

Büchting Ihre Leidenschaft für die Landwirtschaft ist trotz einiger Hürden nicht verflogen wie sind sie dazu gekommen?

Leveillard Als Kind war es die Viehzucht, die mich anfangs am meisten gereizt hat. Wir hatten Tiere und das hat mir sehr gut gefallen. Und dann kam der Ackerbau dazu, auch das hat mich begeistert. Es war fast eine natürliche Entwicklung. Meine Schwester ist Journalistin geworden und meine Mutter hat gehofft, dass ich auf unserem Hof bleibe. So ist es gekommen. Und ich hoffe, dass die nächste Generation den gleichen Weg einschlägt. Das liegt mir sehr am Herzen.

Büchting Sie haben die nächste Generation von Landwirten angesprochen. Ihre Tochter engagiert sich sehr in der Landwirtschaft, auch sie strebt die Bewirtschaftung eines eigenen Betriebs an …

Leveillard Ja, es beruhigt mich, weil es mir wichtig ist, den Hof meiner Eltern an die vierte Generation weitergeben zu können. Ich sehe es als ein Privileg an, heutzutage einen Familenbetrieb wie diesen halten zu können, weil es immer weniger davon gibt. Um rentabel zu bleiben, ist es beispielsweise nötig, dass Supermärkte und Verbraucher bereit sind, mehr für regionale Qualitätsprodukte zu bezahlen. Man kann nicht von den Landwirten verlangen, nach französischen Standards zu produzieren, wenn wir unsere Lebensmittel importieren, damit sie dann für den Verbraucher erschwinglicher sind.

Büchting Gibt es neue Wege oder Ideen, um Ihren Familienbetrieb für die Zukunft zu wappnen?

Leveillard Alles in allem läuft es gar nicht so schlecht. Wir haben Land übernommen, von dem ein Teil etwas weiter weg in der Region Perche liegt, der Boden ist dort viel feuchter, hat gutes Potenzial. Wegen der Entfernung habe ich aber die Dinge vereinfacht und baue dort nur eine Kulturart an, damit ich die Betriebsmittel nicht zu oft bewegen muss. Und wir haben eine weitere Entscheidung getroffen: Auf dem Hof haben meine Frau und ich einige der Gebäude in Gîtes Ferienwohnungen für Gäste umgewandelt. Es ist eine Diversifizierung, die meiner Meinung nach gut zum Geschäft passt. Und ich teile gerne, was ich tue, mit Menschen, die nicht aus der Landwirtschaft kommen.

Büchting Und wir sind hier auf Ihrem Familienbetrieb näher dran an ursprünglicher Landwirtschaft können Besucher auch kaum sein, wie ich finde …

Leveillard Das ist richtig. Meine Großeltern mütterlicherseits ließen sich zwischen 1918 und 1920 hier nieder. Und als meine Eltern Ende der 50er heirateten, übernahmen sie den Hof. Später haben wir den Betrieb dann erweitert: 1981 übernahm ich einen nahegelegenen Hof mit rund 30 Hektar, den wir mit unserem bündelten. Bis 1996 war mein Vater noch mit aktiv, dann haben meine Frau und ich vollständig übernommen. Ein echter Familienbetrieb also!

Özer Çolpan | 47 Jahre

  • Landwirt aus Odunpazarı, Türkei
  • Gelernter Metallurgie- und Werkstoffingenieur, kehrte nach anderthalb Jahren in einer Baufirma in Saudi-Arabien in seine Heimat zurück und arbeitet seit 23 Jahren im Familienbetrieb, der von seinem Großvater gegründet wurde. Özer hat zwei Kinder.
  • Der Betrieb, 1.300 Hektar, mit sechs Mitarbeitern baut neben klassischen Kulturarten (Weizen und Mais) zudem Lavendel an.

Interview mit Özer Çolpan

Büchting Herr Çolpan, erlauben Sie mir eine kleine persönliche Anekdote zum Einstieg unseres Interviews, denn für mich schließt sich heute ein familiärer Kreis. Die Türkei war immer schon ein wichtiger Markt für uns, angefangen mit der Zuckerrübe bereits in den 1930er Jahren. Später kamen dann Mais, Sonnenblumen und Raps hinzu. Nach dem Zweiten Weltkrieg ging die erste Auslandsreise, die mein Großvater unternahm, in die Türkei.

Çolpan Für uns beide sind demnach die Großväter wichtige Figuren. Mein Großvater gründete diesen Betrieb und setzte somit das Fundament für meine berufliche Entwicklung.

Büchting Obwohl ihr Einstieg in die Landwirtschaft meines Wissens ungewöhnlicher als bei anderen Landwirten verlief.

Çolpan Das stimmt. Ich arbeite in diesem Beruf zwar mittlerweile schon seit 23 Jahren, aber tatsächlich bin ich gelernter Metallurgie- und Werkstoffingenieur. Damals war ich anderthalb Jahre in einer Baufirma in Saudi-Arabien tätig, als mich mein Onkel anrief und bat, in die Heimat zurückzukehren und auf dem Hof zu helfen. Mein Vater und meine beiden Onkel leiteten damals den von meinem Großvater gegründeten Betrieb. Ich setzte mich damals also in den Flieger zurück in die Türkei – und heute bin ich Geschäftsführer des Unternehmens und habe gelernt, dass es die Landwirtschaft in der Türkei nicht gerade einfach hat.

Büchting Mit welchen Herausforderungen haben Sie in Ihrer Region zu kämpfen?

Çolpan Wir haben hier sehr trockene Bedingungen, nicht so feucht wie in Deutschland. Während der Erntezeit ist es für uns immer ein Rennen mit der Zeit, bei dem wir schneller sein müssen. Ackerflächen haben hier eine übliche Größe von durchschnittlich sechs bis zehn Hektar. Dafür sind wir auf modernste Technik angewiesen. Dabei steht uns allen das gleiche knappe Zeitfenster zur Verfügung, um die Ernte einzufahren. Und das ist eine meiner größten Herausforderungen: Verschiebt sich die Ernte, weil es beispielsweise regnet, müssen wir im Anschluss härter und schneller arbeiten. Bei Bedarf miete ich dann noch einen Mähdrescher dazu, um die Erntezeit zu verkürzen und das Risiko von Verlusten zu minimieren. Neben dem Wetter muss ich beispielsweise auch den weltweiten Agrarmarkt im Blick haben welche Preise kann ich mit welchen Kulturarten erzielen und wie wirkt sich die Inflation aus?

Büchting Vor dem Hintergrund des Klimawandels optimieren Sie nicht nur Ihre Arbeitskraft, sondern auch die technologischen Hilfsmittel.

Çolpan Das ist absolut entscheidend. Ich habe einen Maschinenpark mit vielen Traktoren, in den ich investiere, um unsere Arbeit auf den Feldern immer weiter zu verbessern und leichter erledigen zu können. Meine größte Maschine hat 360 PS. Wir benutzen sie nicht oft, aber wenn, dann löst sie unsere Probleme. Die ständige Verbesserung meiner Ausstattung ist sehr wichtig. Wir nutzen vermehrt auch digitale Hilfsmittel, um unsere Pflanzen intensiver kontrollieren zu können, beispielsweise über Satelliten-Monitoring. Die Technologie ändert sich, die Maschinen verändern sich und ich als Landwirt sollte dieser Entwicklung folgen. Wenn ich mich den Veränderungen nicht anpasse, entsteht irgendwann eine Investitionslücke und dann wird es schwierig, diese zu schließen.

Die Technologie ändert sich, die Maschinen verändern sich – und ich als Landwirt folge dieser Entwicklung.

Özer Çolpan
Landwirt aus Odunpazarı

Büchting Die Anpassung an technologische Verbesserungen erleichtert der Landwirtschaft das Arbeiten. Aber eine Anpassung an die Veränderungen durch den Klimawandel muss auf mehreren Ebenen passieren. Welche Auswirkungen verspüren Sie bei sich im Betrieb?

Çolpan Eine große Unregelmäßigkeit. Früher war das Wetter stabil, in den letzten drei oder vier Jahren hat es sich stark verändert. In einem Jahr gibt es keinen Regen im Winter, im nächsten Jahr dann zu viel Regen und im Jahr darauf zu viel Schnee. Es wandelt sich sehr drastisch und wir Landwirte müssen immer flexibler werden und mit kleineren Zeitfenstern arbeiten.

Büchting Die Arbeit in und mit der Natur wird für die Landwirtschaft zum größten Unsicherheitsfaktor.

Çolpan Exakt – und das ist ein großes Problem für uns, weil wir das Wetter schwieriger vorhersehen können. Langzeitaufnahmen der Wettervorhersage sind nicht mehr so sicher. Um die Risiken zu reduzieren, werde ich zukünftig flexibler sein und meine Zeitpläne anpassen müssen.

Büchting Haben Sie in dieser herausfordernden Zeit auch Perspektiven auf die landwirtschaftliche Arbeit kennengelernt, die Sie nun umso mehr zu schätzen wissen?

Çolpan Wissen Sie, wir haben im letzten Jahr einen katastrophalen Hagelsturm erlebt, der 25 oder 30 % der Ernte auf den Feldern vernichtet hat. Das klingt im ersten Moment nicht nach einem positiven Beispiel, jedoch habe ich in dieser desaströsen Situation gemerkt, was wir im Team mit Zusammenhalt und Unterstützung bewältigen können.

Büchting Aber am Ende des Tages wird Ihr Business trotzdem an Zahlen gemessen.

Çolpan Gerade das vergangene Jahr hat mir gezeigt, wie Ihr Unternehmen – KWS – trotz der unsicheren Situation auf dem Weltmarkt loyal und vertrauenswürdig zu mir als Kunde stand, um mich zu unterstützen. Aus diesem Grund habe ich, auch dank Ihrer Hilfe, positive Ergebnisse erzielt. Ich habe einmal von meinem Vater und meinem Onkel beigebracht bekommen, dass man seine Versprechen halten soll. Die Zusammenarbeit mit KWS erinnert mich in positiver Weise an diesen Gedanken.

Büchting Das freut mich sehr. Zum Start unseres Gesprächs erwähnte ich die besondere Beziehung zur Türkei. Neben der Züchtung und dem Verkauf von Saatgut eignet sich die Region hier auch sehr gut für die Saatgutvermehrung, weshalb wir beschlossen haben, unsere hiesigen Produktionskapazitäten besonders für Zuckerrübe zu erweitern.

Çolpan Ich kann mir vorstellen, dass ein gutes Team dabei sehr wichtig ist. Das ist bei uns genauso. Gerade in der Ernte ist es eine harte Arbeit, da ist für Landwirte jeder Tag ein Montag. Ich bin sehr stolz auf mein Team.