
Forschung & Entwicklung
Beschleunigte Züchtung:
Im Wettlauf mit dem Wandel.
Temperaturextreme, unregelmäßige Niederschläge sowie ein steigender Krankheitsdruck gefährden die landwirtschaftlichen Erträge weltweit. Die Pflanzenzüchtung steht vor der Aufgabe, schnellstmöglich Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen bereitzustellen. Ein entscheidender Hebel, um im Wettlauf mit dem Wandel zu bestehen: die Beschleunigung der Sortenentwicklung durch technologischen Fortschritt.
Infolge des Klimawandels verändern sich die landwirtschaftlichen Anbaubedingungen schneller als je zuvor. Dadurch steigt der Bedarf an leistungsstarken Sorten, die den erschwerten klimatischen Bedingungen trotzen und gegenüber neuen Krankheiten und Schädlingen resistent sind. „Züchterische Lösungen waren schon immer wichtig, aber ihre Bedeutung hat in den letzten Jahren weiter zugenommen“, erklärt Harold Verstegen, Program Manager for Strategic Initiatives. „Das liegt auch daran, dass alternative Lösungsansätze, wie zum Beispiel Pflanzenschutzprodukte, eingeschränkt werden oder ihre Effizienz verlieren.“
Der hohen Dynamik des Wandels steht die Tatsache gegenüber, dass Pflanzenzüchtung viel Zeit in Anspruch nimmt: Zehn Jahre und mehr dauert es in der Regel, bis eine neue Sorte ihren Weg auf die Felder findet.
Wenn wir über Geschwindigkeit sprechen, dann geht es genau darum: Lösungen nicht erst in 10 oder 15 Jahren bereitzustellen, sondern am besten schon morgen.
Harold Verstegen | Program Manager for Strategic Initiatives
Das Potenzial von Kreuzungen vorhersagen
Eine Schlüsseltechnologie, um diesen Prozess zu beschleunigen, ist die „genomische Selektion“: Diese Methode ermöglicht es, mithilfe genetischer Informationen die besten Pflanzen für die Züchtung auszuwählen, ohne dass umfangreiche Feldversuche durchgeführt werden müssten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nutzen dazu sogenannte Markerprofile, die mehrere tausend DNA-Sequenzen einer Pflanze umfassen und einen unverwechselbaren „genetischen Fingerabdruck“ darstellen. Dank dieser Profile und statistisch-mathematischer Modelle lässt sich der Zuchtwert von Elternpflanzen verlässlich vorhersagen – eine erhebliche Zeitersparnis.
Allerdings gilt: Je weiter die Züchterinnen und Züchter in die Zukunft blicken, desto ungenauer werden die Prognosen. „Je mehr Zyklen wir ‚blind‘ durchlaufen, also ohne die Ergebnisse im Feld zu überprüfen, desto unpräziser werden die Vorhersagen“, ordnet Verstegen ein. „Es geht für uns deshalb darum, für jede Kulturart den individuellen ‚Sweet Spot‘ zu finden – den besten Kompromiss zwischen Geschwindigkeit und Genauigkeit.“
Obwohl die Methode bereits seit den 2010er-Jahren fester Bestandteil des züchterischen Werkzeugkastens ist, ist ihr Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Einerseits gewinnen die Vorhersagemodelle, auf denen die Prognosen beruhen, weiter an Präzision – andererseits sorgt der technologische Fortschritt dafür, dass DNA-Analysen kostengünstiger und effizienter werden.
Reinerbige Linien in nur einem Schritt
Ihr volles Potenzial entfaltet die genomische Selektion in Kombination mit der „Doppel-Haploid-Methode“ (DH) – besonders in der Hybridzüchtung von großer Bedeutung. Klassischerweise werden Hybride aus sogenannten Inzuchtlinien erzeugt. Dafür werden Pflanzen immer wieder mit sich selbst gekreuzt. Der Vorteil: Die Nachkommen sind nach mehreren Generationen „reinerbig“, besitzen also für die relevanten Merkmale zwei identische Gen-Varianten (Allele). Das führt zu einer konsistenten Weitergabe der gewünschten Eigenschaften an die Hybriden. Die DH-Technik ermöglicht es, den mehrjährigen Prozess zu umgehen und in nur einem Schritt reinerbige Pflanzen zu erzeugen. Durch verbesserte Verfahren, die für jede Kulturart individuell entwickelt werden, können zunehmend mehr doppel-haploide Pflanzen erzeugt werden.
„Wenn wir mithilfe molekularer Analysen die besten Kandidaten für eine Kreuzung vorhersagen und in kurzer Zeit eine große Menge reinerbiger Pflanzen produzieren können, dann bedeutet das einen erheblichen Zeitgewinn“, erklärt Verstegen.
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Zukunftsmethoden im Zusammenspiel
Während der kombinierte Einsatz von DH-Methode und genomischer Selektion in der Hybridzüchtung vor allem auf Merkmale wie Ertrag zielt, die durch viele Gene beeinflusst werden, erlaubt die Genom-Editierung, gezielt einzelne Gene zu verändern. Dadurch ist es möglich, effizient Eigenschaften wie Krankheitsresistenzen zu optimieren. Die Genom-Editierung ergänzt den züchterischen Werkzeugkasten deshalb sehr wirkungsvoll, beispielsweise wenn es um die Integration einzelner Eigenschaften in vorhandene Hochleistungssorten geht.
Aus technischer Sicht dürfte es möglich sein, die eigentliche Produktentwicklung um bis zu zwei Drittel zu verkürzen.
Harold Verstegen | Program Manager for Strategic Initiatives
Durch den Fortschritt und das Zusammenspiel der Methoden eröffnen sich enorme Möglichkeiten. „Unser Vorteil als KWS ist, dass wir unsere Kulturen bestens kennen. Nicht jedes Problem löst man mit einem Hammer. Aufgrund unseres breiten Portfolios haben wir viel Erfahrung darin, unsere Werkzeuge effizient einzusetzen“, so Harold Verstegen.
Mehr Zyklen. Schnellere Züchtung.
Neben Methoden, die langwierige Züchtungsschritte ersetzen, beschäftigen sich Pflanzenzüchterinnen und -züchter auch damit, die Anzahl der Generationen zu steigern, die pro Jahr angebaut werden können. Denn sie ist ein wichtiger Faktor für die Züchtungsdauer. So wird Züchtungsmaterial beispielsweise in wärmere Regionen gebracht, wenn im Herkunftsland keine günstigen Bedingungen mehr herrschen. Demgegenüber zielt eine von der NASA entwickelte Methode, „Speed Breeding“ genannt, darauf ab, die Anzahl der Zyklen in kontrollierten Umgebungen zu steigern. Hierbei werden Temperaturen, Licht und Tageslängen systematisch optimiert. KWS hat diese Technik bereits erfolgreich für Mais implementiert.