Weitblick

KWS Vorstand Peter Hofmann im Interview

„Weitblick ist unser Tagesgeschäft

Die wachsende Weltbevölkerung macht eine kontinuierliche Steigerung der Erträge erforderlich, obwohl die landwirtschaftliche Nutzfläche stagniert. Zugleich formulieren Gesellschaft und Politik hohe Erwartungen an die Nahrungsmittelerzeugung, die sich in ambitionierten Vorgaben zur Reduktion von Dünger und Pflanzenschutz widerspiegeln. All dies führt dazu, dass sich Landwirte in einem herausfordernden Umfeld wiederfinden. Was bedeutet das für die Pflanzenzüchtung? Wie kann KWS Landwirte dabei unterstützen, die komplexen Veränderungen zu meistern? Und was tut das Unternehmen, um im Wandel seine Ziele im Blick zu behalten und weiterhin profitabel zu wachsen? Im Interview gibt Vorstand Dr. Peter Hofmann Einblicke.

Herr Hofmann, die Landwirtschaft befindet sich im Wandel. Welchen Beitrag kann die Pflanzenzüchtung leisten?

Die Pflanzenzüchtung spielt eine Schlüsselrolle, um den Anforderungen der globalen Ernährungssysteme gerecht zu werden. Als KWS sind wir uns dieser Verantwortung bewusst und verstehen es als unsere Aufgabe, leistungsstarke Sorten zu entwickeln, die landwirtschaftliche Erträge unter erschwerten Bedingungen weiter steigern und zugleich Ressourcen schonen. Grundlage dafür ist unsere vorausschauende Forschungs- und Züchtungsarbeit, in die wir jährlich einen signifikanten Anteil unseres Umsatzes investieren im letzten Geschäftsjahr 326 Millionen Euro.

Worauf konzentriert sich KWS dabei konkret?

Die Ertragssteigerung hat bei der Entwicklung neuer Sorten nach wie vor höchste Priorität. Parallel rückt vor allem die Resistenzzüchtung und somit der Schutz vor Krankheiten und Schädlingen immer stärker in den Fokus. Um dem wachsenden Bedarf nach gesunden und nachhaltigen Lebensmitteln nachzukommen, steigern wir außerdem den Anteil der KWS Sorten für die direkte Verwendung in der menschlichen Ernährung. Nach dem Einstieg in die Gemüsezüchtung und ersten Projekten im Bereich „pflanzenbasierte Proteine“ wird das Thema sicherlich weiter an Relevanz gewinnen.

Beobachten Sie weitere Trends in der Landwirtschaft?

Landwirtschaftliche Arbeit wird immer komplexer. Ob neue Technologien, regulatorische Vorgaben, weltweite Rohstoffpreise, Vermarktung oder erweiterte Fruchtfolgen Landwirte müssen sich mit vielen Dingen auskennen und viele Faktoren im Blick behalten. Das führt dazu, dass sie stärker in Lieferketten denken und neue Wertschöpfungsmöglichkeiten erkunden müssen.

Unsere Kernkompetenz als KWS ist und bleibt, innovative Sorten zu züchten und hochwertiges Saatgut zu produzieren und zu verkaufen.

Peter Hofmann | Vorstand von KWS und verantwortlich für die Ressorts Zuckerrübe, Gemüse, Getreide, Raps/Sonderkulturen & Ökosaatgut, Marketing & Communications

Spiegelt sich diese Entwicklung im Geschäftsmodell von KWS wider?

Unsere Kernkompetenz als KWS ist und bleibt, innovative Sorten zu züchten und hochwertiges Saatgut zu produzieren und zu verkaufen. Darin sind wir seit fast 170 Jahren sehr erfolgreich. Neben unserem vielfältigen Portfolio unterstützen wir Kunden auch mit unserem Know-how: Als „Seed Partner“ beraten wir ganzheitlich und kulturartübergreifend rund um die komplexen Herausforderungen, mit denen Landwirte konfrontiert sind. Auch in der Produktentwicklung nehmen wir die landwirtschaftliche Wertschöpfungskette gesamtheitlich in den Blick und schaffen Wertschöpfung über das Saatgut hinaus zum Beispiel durch intelligente Tools oder innovative Konzepte für die Tierfütterung.

Bis eine neue Sorte ihren Weg in den Handel findet, vergehen im Schnitt zehn Jahre Pflanzenzüchtung ist also ein langwieriger Prozess. Zugleich wandeln sich die externen Bedingungen schnell. Wie gehen wir als Unternehmen mit diesem Kontrast um?

Als Pflanzenzüchter schauen wir weit in die Zukunft und investieren heute in potenzielle Erfolge in 10 bis 20 Jahren. Ein gutes Beispiel stellen aktuelle Innovationen wie CONVISO® SMART und CR+ dar, deren Entwicklung wir Anfang der 2000er Jahre angestoßen haben. Weitblick ist unser Tagesgeschäft und nicht umsonst ein Kernwert von KWS. Um unseren Blick für zukünftige Anforderungen an unser Saatgut zu schärfen, suchen wir die Nähe zu Landwirten aus allen Märkten und beziehen ihre individuellen Erfahrungen ein.

Philip von dem Bussche
† 8. April 2024

Nähe leben.

Ein Mensch, der den Wert „Nähe“ gelebt hat, war Philip von dem Bussche. Als langjähriger Vorstand und zuletzt Aufsichtsratsvorsitzender hat er die Entwicklung von KWS über 25 Jahre hinweg geprägt. Im April 2024 ist er nach schwerer Krankheit im Alter von 74 Jahren verstorben. „Philip von dem Bussche besaß nicht nur tiefe Kenntnisse der Agrarbranche, sondern auch große Leidenschaft für die landwirtschaftliche Praxis. Als seine größte Stärke habe ich aber seine Nahbarkeit und Bodenständigkeit erlebt“, erinnert sich Peter Hofmann. „Er war aufrichtig an seinen Mitmenschen interessiert und hat immer auf Augenhöhe kommuniziert. Mit seinem Tod hat KWS einen großen Fachmann und eine beeindruckende Persönlichkeit verloren und ich persönlich einen Menschen, der mich über viele Jahre geprägt hat.“

Nähe – ein weiterer Kernwert von KWS …

Genau. Nur wenn wir Trends rechtzeitig erkennen, können wir heute mit der Entwicklung von Sorten beginnen, die in Zukunft einen Mehrwert bieten. Dazu müssen wir nah an den Landwirten und ihren Bedürfnissen sein. Nähe bedeutet für uns zum Beispiel der persönliche Austausch auf dem Betrieb, aber auch, uns digital mit unseren Kunden zu verbinden.

Blicken wir nun auf die wirtschaftliche Entwicklung im Geschäftsjahr 2023/24, in dem KWS einen Umsatz von 1,68 Milliarden Euro erzielt hat. Wie ordnen Sie das Ergebnis ein?

Wir blicken auf ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr in einem herausfordernden Marktumfeld zurück. Im Bereich Zuckerrübe haben wir einen Rekordumsatz von über 860 Millionen Euro erzielt. Auch Getreide und Raps haben wie erwartet auf sehr gutem Niveau performt, was zu einer Steigerung des Segmentumsatzes um fast 12 Prozent von 247 auf 276 Millionen Euro geführt hat. Im Mais sind wir vor allem aufgrund eines schwachen Geschäfts in Nordamerika hinter den Planungen zurückgeblieben. Eine wichtige Weichenstellung stellen die Veräußerungen unseres Maisgeschäfts in Südamerika und China dar. Letzterer erfolgte vor dem Hintergrund veränderter regulatorischer Rahmenbedingungen in China und trägt mit ca. 28 Millionen Euro zum Segmentergebnis von 39 Millionen Euro bei. Im neuen Geschäftsbereich Gemüse, dessen Umsatz aktuell durch unser starkes Spinat- und Bohnenportfolio getragen wird, haben wir den Aufbau der Züchtungsaktivitäten für Tomate, Gurke, Paprika, Wassermelone und Melone weiter vorangetrieben. In wenigen Jahren werden wir erste eigene Sorten einführen, aber es ist noch ein langer Weg, bis wir ein signifikanter Marktteilnehmer in diesem Segment sein werden (weitere Informationen zu den Segmentergebnissen).

Sie sprechen von einem schwierigen Marktumfeld. Welche externen Faktoren haben das Geschäftsjahr geprägt?

Zu nennen sind hohe Zinsen, die Inflation beziehungsweise Hyperinflation in Argentinien und der Türkei sowie eine lange Phase hoher Rohstoffpreise, die zu gestiegenen Produktionskosten insbesondere für Mais und Getreide geführt hat. Wie viele Landwirte hat uns außerdem das Klima beschäftigt: Starke Niederschläge sowie Überschwemmungen in Europa haben uns logistisch herausgefordert und die Saatgutvermehrung und damit die Verfügbarkeit von Sorten beeinflusst. Auch geopolitische Faktoren und Konflikte sowie zunehmender Protektionismus spielen weltweit eine Rolle und dürften künftig weiter an Relevanz für unsere Planungen gewinnen.

Nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die Pflanzenzüchtung ist Gegenstand politischer Regulierung. Was bedeuten die Pläne der EU, die „Neuen Züchtungsmethoden“ zu deregulieren, für KWS?

Die Bedeutung der Neuen Züchtungsmethoden wie Genome Editing liegt darin, dass sich mit ihrer Hilfe sehr gezielt und schnell neue Eigenschaften wie Resistenzen in leistungsstarke Sorten integrieren lassen. Gerade angesichts des Wegfalls chemischer Lösungen für den Pflanzenschutz sind sie ein wichtiges Tool im „Werkzeugkasten“ der Züchter. Nicht zuletzt würde eine Deregulierung die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Pflanzenzüchtung stärken.

Durch den Ausstieg aus dem wettbewerbsintensiven Markt für gentechnisch veränderten Mais (GVO) in Südamerika stärken wir unsere Unabhängigkeit und gewinnen Flexibilität, um uns noch stärker auf unsere strategischen Zukunftsfelder zu konzentrieren.

Peter Hofmann | Vorstand KWS

KWS hat im März 2024 den Verkauf des südamerikanischen Maisgeschäfts bekannt gegeben Sie hatten es erwähnt. Was ist der Grund für diesen Schritt?

In Südamerika haben wir innerhalb kurzer Zeit ein erfolgreiches Maisgeschäft aufgebaut und beachtliche Marktanteile gewonnen – in Brasilien waren es zuletzt zehn Prozent. Mit Blick auf unsere ambitionierten strategischen Ziele allen voran die verstärkte Fokussierung auf pflanzenbasierte Lebensmittel und zugleich höhere Profitabilitätsind wir dennoch überzeugt, einen guten Zeitpunkt für diesen Schritt gewählt zu haben. Durch den Ausstieg aus dem wettbewerbsintensiven Markt für gentechnisch veränderten Mais (GVO) in Südamerika stärken wir unsere Unabhängigkeit und gewinnen Flexibilität, um uns noch stärker auf unsere strategischen Zukunftsfelder zu konzentrieren. Zugleich sind wir überzeugt, dass wir mit dem Käufer GDM, einem Familienunternehmen und führenden Anbieter im Bereich Pflanzengenetik aus Argentinien, einen guten Partner gefunden haben (weitere Informationen).

Welche Ziele hat sich KWS darüber hinaus für die Zukunft gesetzt?

Unser Portfolio ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen, wodurch ein klarer Fokus auf unsere strategischen Ziele umso wichtiger wird. Neben dem Aufbau des Gemüsesegments konzentrieren wir uns unter anderem darauf, den Zuckerrübenanbau durch Innovationen weiter zu stärken, Hybridkulturen für Gerste und Weizen zu etablieren und die Entwicklung von hochwertigem Kartoffel-Hybridsaatgut voranzutreiben. Grundlage für den heutigen und zukünftigen Erfolg von KWS bildet die hohe Qualität unserer Produkte. Deshalb werden wir weiterhin nachhaltig in Forschung und Entwicklung und damit in unsere Innovationsfähigkeit investieren. Das ist unser Verständnis von „Seeding the future for generations“.

Wenn wir den Blick von zukünftigen auf bereits im Markt befindliche Innovationen richten welche Entwicklungen prägen das aktuelle Portfolio?

Im Segment Zuckerrübe stechen CONVISO® SMART, ein innovatives System für die Unkrautkontrolle, sowie unsere CR+ Sorten mit Cercospora-Resistenz heraus. Im Segment Getreide sind unsere Hybridroggensorten sehr erfolgreich, die das Ergebnis eines kontinuierlichen Züchtungsfortschritts darstellen und dank der PollenPLUS®-Technologie hohe Widerstandskraft gegen Mutterkorn besitzen. Als ein weiteres wichtiges Standbein für das Getreidesegment hat sich unser hochwertiges Rapsportfolio etabliert. Einen Meilenstein markieren unsere Winterrapssorten mit InsectPROTECT Erdflohschutz, also einem genetischen Schutz gegen die Larven des Rapserdflohs (weitere Informationen). Beim Silomais sind wir dank unserer leistungsstarken Produkte Marktführer in Europa. Und in der für uns noch jungen Kulturart Sonnenblume haben wir erste hochwertige Produkte im Markt, die unser Portfolio um eine weitere für die Fruchtfolge wichtige Kulturart ergänzen.

Was mich immer motiviert hat, ist es, junge Menschen bei KWS weiterzuentwickeln und heute zu sehen, wie sie über die Jahre gewachsen sind und KWS mit ihrer Expertise prägen und künftig weiterentwickeln werden.

Peter Hofmann | Vorstand KWS

Zu guter Letzt noch eine persönliche Frage: Sie werden im September 2025 in den wohlverdienten Ruhestand gehen – nach über 10 Jahren als Vorstand und mehr als 30 Jahren im Unternehmen. Welche Entwicklung hat Sie in dieser Zeit besonders beeindruckt?

Da fallen mir zwei Dinge ein. Zunächst die Erfolgsgeschichte der Zuckerrübe, die heute mit einem Umsatz von 865 Millionen wesentlich zum Geschäftserfolg beiträgt. Hier ist es uns in langjähriger Teamarbeit und mit Weitblick sehr erfolgreich gelungen, Innovationen zu entwickeln und in Marktanteile umzusetzen. Und was mich immer motiviert hat, ist es, junge Menschen bei KWS weiterzuentwickeln und heute zu sehen, wie sie über die Jahre gewachsen sind und KWS mit ihrer Expertise prägen und künftig weiterentwickeln werden.